Um Menschen in Energiearmut zu helfen, hatte das Saarland 2020 einen bundesweit einzigartigen Notfallfonds ins Leben gerufen. Die Initiative sollte verhindern, dass Haushalte aufgrund unbezahlter Stromrechnungen ihre Versorgung verlieren. In Zusammenarbeit mit Sozialverbänden, der Verbraucherzentrale und Energieversorgern sollte, die neue Beratungsstelle Menschen in Notsituationen unterstützen. Der Notfallfonds soll als kurzfristige Lösung für Betroffene dienen. Betroffene können einmalig 50 Prozent der Forderungssumme erhalten. Finanziert wird der Fonds durch Mittel des Landes sowie durch Beiträge der Energiewirtschaft. Ziel ist es, Stromsperren bereits im Vorfeld abzuwenden. Nach über vier Jahren zieht die „Saarländische Armutskonferenz“ (SAK) ein Resümee und fordert weitere Maßnahmen.
So funktioniert es mit der Initiative gegen Stromsperren:
– Beratung: Betroffene können sich an die Melde- und Steuerstelle der Verbraucherzentrale wenden (https://www.verbraucherzentrale-saarland.de/stromhelfer)
– Prüfung: In besonders schweren Fällen wird der Fall an die Energiesicherungsstelle weitergeleitet.
– Unterstützung: Ein Beirat aus Vertretern verschiedener Institutionen prüft jeden Antrag und kann bei Bedarf einen Teil der Schulden übernehmen.
Neben der finanziellen Unterstützung setzt das Saarland auf Prävention. Durch eine wissenschaftliche Evaluation sollen die Ursachen von Energiearmut besser verstanden werden.
Die getroffenen Maßnahmen zur Unterstützung bedürftiger Menschen sind laut dem Vorsitzenden der „Saarländischen Armutskonferenz“ (SAK) Michael Leinenbach grundsätzlich zu begrüßen. Durch intensive Beratungen konnten viele Betroffene wieder in die Regelleistungen integriert werden. Die Integration in die Regelversorgung sollte stets das oberste Ziel sein. Eine Vertretung der SAK sei in den entsprechenden Gremien integriert und wirke aktiv in den offenen Entscheidungsprozessen für Menschen, die Unterstützung benötigen, mit. Die bisherige Arbeit der Energiesicherungsstelle lobte Michael Leinenbach ausdrücklich.
„Es ist wichtig zu beachten, dass aufgrund des Mangels an sozialem Wohnraum Menschen oft Wohnungen mieten müssen, die weder energetisch saniert noch gut isoliert sind. Dies führt zu einem dauerhaft erhöhten Energieverbrauch,“ führte Michael Leinenbach an. „Der aktuelle ‚Neunte Altersbericht‘ der Bundesregierung zeigt, dass das Risiko, im Alter unter Armut zu leiden, wieder höher ist als im Bevölkerungsdurchschnitt. Dieser liegt bei rund 18 Prozent. Eine weitere Bevölkerungsgruppe ist somit von der Problematik bedroht.“
Auch für die Zukunft bedeute es, dass politische und gesellschaftliche Entwicklungen den Rahmen der Maßnahmen vorgeben. Aufgrund der Gesamtheit der Krisen könne keine lineare Veränderung erfolgen, da immer wieder neue Zielgruppen hinzukämen. Zu erwähnen sei unter anderem die Finanzkrise, eine hohe Zuwanderung und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, inklusive der damit einhergehenden Energiepreiserhöhung, führte Leinenbach weiter aus.
Es müssten grundsätzlich politische Entscheidungen getroffen werden, um Situationen verbessern zu können. Eine dieser Entscheidung müsse der Ausbau von Sozialem Wohnungsbau sein. Die zweite Entscheidung müsste eine Deckelung der Energie- und Versorgungskosten für Strom, Wasser, Gas, Fernwärme, etc. beinhalten, betont der Vorsitzende der SAK. Betroffene Menschen mit Armutserfahrung sollten über ein entsprechendes Case Management unterstützt werden.
Im Saarland wurde durch den „Dritten Aktionsplan“ ein Instrumentarium geschaffen, dass Rahmenbedingungen verändern kann und damit die Menschen im Vorfeld unterstützen.
Es sollten die folgenden Aspekte besonders in den Fokus genommen werden:
· Ausweitung des Bearbeitungsfeldes auf die Bereiche Strom, Gas/Fernwärme und Wasser. Energieversorgung ist Daseinsvorsorge und zum Abdecken der Grundbedürfnisse der Menschen nach Wärme und Schutz notwendig.
· Ausweitung auf alle unterstützungsbedürftigen Personengruppen.
· Fortsetzung des „Runder Tisch Energiesicherung“
· Ausdehnung Übernahme der Schuldsumme aus dem Sonderfonds auf 100 %, anstatt der bisherigen Deckelung auf max. 50 % der Schuldsumme.
· Beteiligung der Energieversorger am Projekt Energiesicherungsstelle, insbesondere in finanzieller Hinsicht zur Ausstattung des Notfallfonds.
„Die Energiesicherungsstelle bietet Menschen, die durch die sozialen Netze gefallen sind die Möglichkeit, wieder in die sozialen Sicherungssysteme integriert zu werden. Dadurch können sie erneut Unterstützung und Sicherheit erhalten. Wo diese Möglichkeit nicht bestehe, greifen die Kriterien der Energiesicherungsstellen und möglichen Finanzierungen“, betonte der Vorsitzende der „Saarländischen Armutskonferenz“.
Laut der SAK wäre eine langfristige Regionalisierung anzustreben, sollte aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Zahl der Betroffenen weiter steigen.
Hintergrundinformationen:
Die im Saarland 2020 eingeführte Vereinbarung zur Vermeidung von Stromsperren hat sich bewährt. Die Melde- und Steuerungsstelle bei der Verbraucherzentrale sowie der Notfallfonds haben vielen Menschen in Not geholfen. Eine unabhängige Evaluation aus dem Jahr 2022 zeigt: Das Konzept der Energiesicherungsstelle ist ein Erfolg. Durchgeführt wurde diese Studie vom „institut für finanzdienstleistungen e.V.“ (iff) im Zeitraum von März bis Mai 2022.
Mehr als 3000 Haushalte im Saarland waren im Jahr 2020 von einer Stromsperre betroffen, 2021 waren es 2300 (Quelle: SR https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/diskussion_um_notfallfonds_bei_stromsperren_100.html), im Jahr 2022 3700 und im Jahr 2023 2400. Der erhöhte Wert im Jahr 2022 ist auf den Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zusammenzuführen, in dessen Folge die Energiepreise sehr stark angestiegen waren. Die Zahlen aus 2022 und 2023 gehen aus dem jährlichen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hervor, auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Caren Lay (Linke) (Quelle: https://ee-hub.de/branchenwissen/dpa-meldungen/weniger-stromsperren-im-saarland-b86410d6da73a85f93d4d060835adbc8). Zahlen aus dem Jahr 2024 stehen aktuell noch aus.
Autoren: Sven Mohr / Michael Leinenbach