Experten aus Politik, Sozialarbeit und Zivilgesellschaft diskutierten zuletzt bei einer Podiumsdiskussion über die Ursachen, Auswirkungen und mögliche Lösungsansätze der Armut. Dabei rückten sie nicht nur die finanziellen Aspekte in den Fokus, sondern betonten vor allem die Bedeutung von Würde, Teilhabe und den Kampf gegen soziale Isolation. Zu der Fachveranstaltung im Johannes-Foyer in Saarbrücke eingeladen hatte das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit gemeinsam mit der Saarländischen Armutskonferenz.
Unter dem Motto „Armut geht uns alle an – die Würde der Armutsbetroffenen ist unantastbar“ fand die Fachveranstaltung kurz vor dem „Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut“ im Johannes-Foyer in Saarbrücken statt. In seiner Eröffnungsrede ging der saarländische Minister für Arbeit, Soziales Frauen und Gesundheit, Dr. Magnus Jung, zunächst auf die globale Situation von Armut ein. Noch immer leiden über 770 Millionen Menschen weltweit an Hunger – um nur einen kleinen Teil der Armut zu erwähnen. Unvernunft, Hass, Kriegssituationen oder auch der Klimawandel führten dazu, dass Menschen fliehen müssen und sich ihre gewohnte Lebenssituation ändere. Die globale Betrachtungsweise zeige laut Jung, dass Elend und Hunger in anderen Teilen der Welt nicht am Saarland vorbei gehen. Dies betreffe unter anderem das Thema der Migration. Dort sehe man einen direkten Zusammenhang zwischen Elend und der Armutssituation. Diese Perspektive sei nötig – nicht nur für die Außen-, sondern auch für die Innenpolitik. Im Saarland sei die Situation der Armut in den letzten Jahren angestiegen. Dies sei aber auch mit einer erhöhten Zahl der Migranten zu erklären, welche bei uns Schutz suchen. Diese Menschen könnten sich nicht nach wenigen Wochen oder Monaten in den Arbeitsmarkt integrieren. Sie müssten unter anderem eine für sie neue Sprache erlernen, sich neu orientieren und integrieren, mitunter auch dafür kämpfen, dass ihre jeweilige ausländische Qualifikation hierzulande anerkannt wird. Diese Menschen möchten gerne für sich und ihre Familien sorgen – es dauere jedoch seine Zeit. Aus diesem Grund sei auch die Kinderarmut gestiegen.
Die Zielsetzung sei es laut dem Minister, die Armut zu bekämpfen. Dazu bedarf es gesetzliche Grundlagen zu schaffen und diese gemeinsam durchzusetzen. Ein weiteres Ziel sei die Bekämpfung der Folgen von Armut. Besonders bei Kindern würde sich die Armut besonders auswirken, auch im Anbetracht der weiteren Chancen in ihrer Bildungskariere. Als dritten Punkt nannte er die Bekämpfung der gesundheitlichen Benachteiligung. Hier gebe es erschreckliche Auswirkungen – von den Entwicklungschancen der Kinder bis ins weitere Leben. Als vierten Punkt nannte er die Bekämpfung von Obdachlosig- und Wohnungslosigkeit. Zu allen Punkten sei die Landesregierung mit vielen freien Trägern-, Einrichtungen, Institutionen und ehrenamtlichen Helfer_innen dran, Programme zu erstellen und gemeinsam auch in den nächsten Jahren abzuarbeiten.
An der Podiumsdiskussion nahmen neben Minister Dr. Magnus Jung, Michael Leinenbach, Vorsitzender der Saarländischen Armutskonferenz, Anne Fennel von der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Saar und Vorsitzende des Ausschusses Armut und Stephan Manstein, Vorsitzender des Initiativkreis Wärmestube Saarbrücken e.V., teil. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sandrine Boudot, Referatsleiterin „Armutspolitik, Quartierbezogene Armutsbekämpfung, Sozial- und Armutsberichterstattung, Saarländische Tafeln“ / Ministerium für Arbeit, Soziales Frauen und Gesundheit. Auf die Farge „Wie sehen und verstehen sie Armut?“ antwortete Michael Leinenbach, dass Armut inzwischen in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen sei und die verschiedensten Formen annehme. Stephan Manstein gab fünf Faktoren an: Wohnen (Menschen, die auf der Straße leben), Arbeit (Arbeit sei ein Schlüssel in der Gesellschaft), Einkommen (mit Arbeit verbunden), Bildung und Gesundheit. „Oft sei es so, wenn es nur an einer Stelle in dieser Kette hackt, andere Dinge ins Trudeln geraten“, führte Stephan Manstein an. Anne Fennel ging in ihrer Betrachtungsweise auf die Komplexität von Armut und deren Auswirkungen ein. Es wäre eine Frage der Teilhabemöglichkeit und Ressourcen. Armut bedeute auch, dass Menschen nicht teilhaben könnten. Daraus ergeben sich diverse Folgeprobleme und auch soziale Belastungsfaktoren. Laut Minister Dr. Magnus Jung sehe er Armut in Faktoren, welche nicht direkt sichtbar seien und nur durch eine nähere Betrachtung sichtbar werden. Dabei handele es sich um alltägliche Defizite Armutsbetroffener. Beispielsweise stehe bei der Arbeit mit Kindern das Thema „Essen“ an erster Stelle vieler sozialer Einrichtungen. „Das ein solches Problem ganz oben auf einer Tagesordnung stehe, darf es so nicht geben“, so Jung. Probleme die da seien, müssten wahrgenommen werden und nicht an den Rand der Aufmerksamkeit gedrückt werden.
Auf die Fragestellungen „Wie begegnet man Armut? Wie ist sie sichtbar der Stadt und wie auf dem Land? Gibt es hier Unterschiede?“ antwortete der Vorsitzende der Wärmestube, dass Armut vermehrt und in unterschiedlicher Art und Weise zu sehen sei. In der Wärmestube gebe man auf unterschiedliche Weisen Hilfestellungen – mit Essen, Wärme, dem Bieten eines Schutzraues und Beratungsangeboten. Jedoch hob er hervor, was das Wichtigste in der täglichen Arbeit sei: eine würdevolle Behandlung Armutsbetroffener! Laut Manstein sei die größte Gefahr von Armut für Menschen, dass sie ihre Würde verlieren. Dies betreffe sie in ihrer Person als Mensch, so der Vorsitzende der Wärmestube weiter. Das Wichtigste, was er und sein Team täglich an den Tag zu legen versuchen, ist eine freundliche Aufmerksamkeit zu vermitteln. In der Wärmestube rede man auch von Gästen, nicht von Klienten oder Bedürftigen. Laut Michael Leinenbach gebe es große Unterschiede zwischen der Armut auf dem Land und der Stadt. Beispielsweise gebe es in der Stadt nicht nur mehr Beratungs- und oder Hilfsstellen – auch die Wege seien deutlich kürzer als auf dem Land. In der Stadt gebe es bessere und organsiertere Netzwerke, welche sich im Laufe der Zeit gebildet hätten. Im ländlichen Raum beginne oftmals erst die Frage „Wie komme ich dort hin“?. Oftmals dauere es Stunden, bis man Wege überwinden könne. Dies schränkten die Würde und die Teilhabe ein.
Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Armut vielschichtig sei und sich in verschiedenen Lebensbereichen manifestiere. Neben finanziellen Engpässen spielen Faktoren wie Wohnen, Arbeit, Bildung und Gesundheit eine entscheidende Rolle. Sie betonten die Notwendigkeit einer würdevollen Behandlung von Menschen in Armut und forderten mehr Teilhabemöglichkeiten, insbesondere für Menschen im ländlichen Raum.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass Armut nicht nur ein individuelles Problem ist, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung, die alle betrifft. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer appellierten an die Gesellschaft, sich aktiv für eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Chancen einzusetzen.
Diese Veranstaltung fand im Rahmen der Aktionstage der Saarländischen Armutskonferenz statt. Es gibt in diesem Jahr noch mehrere Veranstaltungen der Saarländischen Armutskonferenz. Zu finden sind diese Termine unter https://sak-ev.de/sak-aktiv/aktionstage-der-sak/veranstaltungsuebersicht-aktionstage-der-sak/.
Autor und Fotos: Sven Mohr












