„Armutsbekämpfung ist eine Investition in den sozialen Frieden und die Zukunft!“. Ein Kommentar der Saarländischen Armutskonferenz (SAK) e.V. und AG Soziale Sicherung der SAK.
Alles Jahre wieder – immer die gleichen Märchen von immer wieder den gleichen politischen und gesellschaftlichen Lagern. So auch jetzt. Das Sommerloch 2024 ist da und somit wieder mal das deutsche „Ungeheuer von Loch Ness“ – ja und dieses Jahr steht das Bürgergeld Pate und wird wieder fürs Sommerloch missbraucht.
Spricht man mit den Verantwortlichen, so sind die so genannten „betrügerischen Handlungen im Bürgergeld“ eine bedeutungslose Minderheit. Das ZDF stellt in seinem Beitrag vom 01.09.2023 klar, dass „der Anteil der (Verdachts-)Fälle und Verfahren bei Sozialbetrug damit vergleichsweise gering ist“ (1).
Nicht diskutiert werden die massiven Steuergeschenke u.Ä. für die „Reichen“, die weit mehr Einnahmen für den Staat bringen würden, als die endlosen Sommerloch-Debatten über die immer wiederkehrende Debatte über das deutsche „Ungeheuer von Loch Ness“.
Bereits im Jahr 2013 forderte die Deutsche Steuergewerkschaft mehr Personal für die Finanzämter, „um Einkommensmillionäre stärker zur Kasse zu bitten“. (Vgl. Focus 13.11.2013 (2) Im Jahr 2023 gibt eine Spitzenbeamtin des Finanzministeriums des Bundes Superreichen Steuerspartipps. (3) Zeit online titelt am 28. April 2024: „Warum Reiche nur halb so viel zahlen wie die Mittelschicht“ (4)
Am 08. Februar 2024 befasst sich der MDR mit dem Thema, warum „keine Vermögensteuer in Deutschland erhoben wird“. Der Beitrag kommt zur Erkenntnis, dass es „Keine politische Mehrheit für die Vermögensteuer“ gibt. (5)
Die Tagesschau berichtet am 22.04.2024 über den Rücktritt von Anne Brorhilker, Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin. Im Bericht heißt es u.a.:
„Geschätzte zwölf Milliarden Euro sollen die Cum-Ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben. Banker, Berater und Aktienhändler ließen sich Steuern erstatten, die nie jemand gezahlt hatte – ein Griff in die Staatskasse.“ (6)
In diesem Zusammenhang steht die Einstellung des Verfahrens gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius aus gesundheitlichen Gründen. Die Tagesschau berichtet in ihrer Ausgabe vom 24.06.3024. „Die Schuldfrage bleibt nach der Entscheidung unbeantwortet. Sie ist aber auch nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen. Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, wodurch ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sei. Olearius selbst wurden dabei angebliche Taterträge von 43 Millionen Euro zugerechnet. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein.“ (7)
Es wird spannend werden, ob dieses Maß der Entscheidung zukünftig in allen gesellschaftlichen Schichten angewendet wird.
Viele weitere Beiträge sind in den letzten Jahren verfasst, debattiert und diskutiert worden.
Dennoch schafft es Politik immer wieder von diesen politischen Fehlverhalten und Schädigungen der deutschen Gesellschaft mit Debatten über das deutsche „Ungeheuer von Loch Ness“ abzulenken, die Presse zu beschäftigen und die Gesellschaft zu spalten.
Im Beitrag des MDR vom 07.03.24 werden Interviews geführt. So auch mit „Marcel Fratzscher“, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Dort heißt es: „Die Sanktionen gegen Totalverweigerer im Bürgergeld – so richtig sie auch sein mögen – werden dem deutschen Staat kaum Geld einsparen. Also die 170 Millionen Euro Einsparung, die die Bundesregierung vorgegeben hat, werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden können, sondern die Summe wird deutlich geringer sein.“
Es muss beachtet werden, geschätzte zwölf Milliarden Euro sollen die Cum-Ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben. Wo ist die riesige Kontrollverwaltung, die alle diese Machenschaften prüft? Die Steuergewerkschaft forderte bereits 2013 entsprechendes Personal um Einkommensmillionäre usw. zu prüfen.
Braucht also Deutschland sein eigenes „Ungeheuer von Loch Ness“ um davon abzulenken, dass im Bereich der „Reichen“ keine ordentliche Besteuerung und Prüfung vorliegt und somit massive Einnahmedefizite nicht diskutiert werden, mit dem die Soziale Marktwirtschaft ihren vom Gesetz vorgegebenen Verlauf nehmen könnte? Scheinbar sind in der deutschen Gesellschaft viele Kräfte am Wirken, genau das zu verhindern.
Eine Ursache, die zur Gründung des Arbeitskreises Kindergeld und Sozialhilfe (AKKS) im Jahr 1979 führte, der wiederum die Gründung der Saarländischen Armutskonferenz (SAK) e.V. als politisches Organ im Jahr 1993 vorantrieb, war die Erkenntnisse, dass „Steigende Massen- uns Langzeitarbeitslosigkeit immer mehr Menschen von staatlichen Sozialleistungen abhängig macht, das heißt: besonders von Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe“.
Wie schon in früheren Krisen sollen aber genau diese Kosten drastisch gesenkt werden. In Krisenzeiten funktioniert das allzeit viel zitierte „Soziale Netz“ nicht mehr, weil es laut Arbeitgeberverbänden und Regierung zu kostspielig ist. Der Staatshaushalt muss saniert werden, ist ihre Parole.“ „Bei den Armen lässt sich das Geld leicht holen, denn sie haben keine wirksame politische Vertretung.“
vgl.: „Alt-Saarbrigger-Schniss“ vom 07.04.1989.
Mehr als 40 Jahre später, die gleiche Debatte. Veränderungen Fehlanzeige. Wir müssen also vermeintlich damit leben, dass wir ein politisch gewolltes deutsche „Ungeheuer von Loch Ness“ haben, um die Reichen zu schützen und das bundesweite Jahr für Jahr wieder aufersteht. Umso wichtiger, dass die Interessenvertretungen wie die SAK viel deutlicher werden und Missstände aufzeigen – gleichzeitig aber auch politisch agieren.
(1) https://amp.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/sozialbetrug-clans-ausmass-100.html
(3) https://taz.de/Steuerskandal-um-Lindners-Spitzenbeamtin/!5979088/
(4) https://www.zeit.de/geld/2024-04/steuern-superreiche-milliardaere-vermoegenssteuer-deutschland-schweiz
(5) https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/vermoegen-steuer-keine-mehrheit-100~amp.html
(6) https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/cum-ex-aufarbeitung-100.html
(7) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/olearius-prozess-cum-ex-100.html
Autor: Michael Leinenbach – Vorsitzender
Herausgeber:
Saarländische Armutskonferenz (SAK) e.V.
und AG Soziale Sicherung der SAK
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