Arbeitsgruppe „Soziale Sicherung“ der Saarländischen Armutskonferenz kritisiert die Einigung der Koalition auf Eckpunkte für den Haushalt

Die Einigung im wochenlangen Haushaltsstreit der Ampelregierung geht klar und deutlich, wie so oft im politischen Handeln, zu Lasten der Bürgergeldempfänger. Zugleich wurde das größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampelkoalition auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben, um es noch deutlicher zu sagen: beerdigt. Denn die Kindergrundsicherung als umfassende Sozialreform mit eigener Behördenstruktur wird auch im kommenden Jahr nicht kommen. Keine Beachtung in den Überlegungen die Defizite zu finanzieren, fanden erneut u.a. die Vermögens- oder Maschinensteuer.
„Die Regierung lehnt eine Neuverschuldung mit unter der Argumentation den zukünftigen Generationen keine Schulden zu hinterlassen ab. Aber wie können wir dann erwarten, dass aus den Kinder von heute, welche im Grunde tägliche Existenzkämpfe führen müssen, Erwachsene heranwachsen, welche durch ihre Arbeit, ihr soziales Miteinander ein wertvoller Teil der Gesellschaft werden; einer Gesellschaft dies sie heute augenscheinlich im Stich lässt.“

Statt dessen haben die Ampelspitzen beschlossen, Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderleistungen im Bürgergeld mit 1,8 Mrd. aufzustocken – im Einzelfall gerade mal: ab kommenden Jahr 5,00 € mehr Kindergeld, für Bürgergeldempfänger 25 € als Sofortzuschlag – exakt 5 € mehr.

Da das Kindergeld weiterhin als Einkommen des Kindes im Bürgergeld angerechnet wird, erfahren wir eine Mogelpackung.

Damit nicht genug: Um mehr Betroffene in Arbeit zu bringen, sei es erforderlich, das Prinzip der Gegenleistung wieder (?) zu stärken. So soll künftig bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden eine Pendelzeit von 2 1/2 Stunden zumutbar sein, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sogar 3 Stunden. Keine Aussagen werden u.a. dazu getätigt, wie diese Fahrtkosten beglichen werden sollen. In diesen Fällen ist der Grundabsetzungsbetrag zu erhöhen, um die höheren Aufwendungen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit auszugleichen. Leben Menschen u.a. im ländlichen Raum, sind die öffentlichen Nahverkehrsmittel eher nicht in einer ordentlichen Taktung, wenn überhaupt, vorhanden. Neben den Ausnahmen für Personen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ist u. a. die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in der Zumutbarkeit zu prüfen, sofern Personen auf diesen angewiesen sind.

Verschärft werden sollen auch Mitwirkungspflichten, die mit erhöhten Kürzungen einhergehen.
Schlussendlich soll, bevor Bürgergeld beantragt werden kann, eigenes Vermögen aufgebraucht werden – ausgenommen die Altersversorgung.

Keine Aussage wird jedoch getroffen, wie hoch die Gruppe denn sei, die hier beschrieben ist. Ein Großteil der Menschen im Bürgergeldbezug benötigt anstelle populistischer Forderungen nach Verschärfungen soziale Unterstützungsmaßnahmen, die eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Fehlanzeige, was sinnvolle Maßnahmen betrifft, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Wir bezweifeln stark, dass zielgenau eine Sanktionierung von Personen sichergestellt wird. Die Menschen müssen gezielt qualifiziert und begleitet, anstatt sanktioniert werden. Der vermeintlich kurzzeitige positive Effekt im Anstieg der Menschen in Erwerbsarbeit rechtfertigt keineswegs die damit verbundenen negativen Effekte.

Kritisch ist zudem die Ausweitung der Prüffälle eines Sozialleistungsbetrugs auf die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) zu sehen. Die individuellen Lebenslagen von Menschen in Armut sind vielschichtig. Dies können beispielsweise psychosoziale Probleme mit Einschränkungen der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit, Überforderungen in der Alltagsbewältigung, Konflikte in der Familie, schwierige Wohnverhältnisse, kommunikative Probleme im Umgang und Konflikte mit Behörden, gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen, Sucht, Schulden, belastende familiäre Verpflichtungen wie Pflege von Angehörigen oder schlechte Erfahrungen im Arbeitsleben sein. Zudem ist das Sozialrecht komplex und die Komplexität verstärkt sich stetig aufgrund der verschiedenen Transfersysteme. Anstatt die Personen im Bürgergeldbezug pauschal der Schwarzarbeit zu bezichtigen, ist eine bürgerfreundliche Sozialverwaltung sicherzustellen, die ihre bereits jetzt im Gesetz verankerten, umfassenden Aufklärungs- und Beratungspflichten erfüllt, Anträge auch als unzuständiger Träger entgegennimmt und Mitwirkungsobliegenheiten in der Antragsstellung auf ein Mindestmaß reduziert. Zu den Kernaufgaben der Sozialverwaltung gehört nicht nur die Bearbeitung von Anträgen, sondern auch deren umfassende Vorbereitung und eine ganzheitliche Begleitung der Menschen in ihren jeweiligen Lebenslagen.
Es ist zu befürchten, dass bei einer strikten Überleitung sämtlicher Verdachtsfälle von Leistungsmissbrauch den individuellen Lebensumständen der Menschen im Bürgergeldbezug nicht hinreichend Rechnung getragen wird.

Einzig positiv ist der Anreiz zur Aufnahme einer Tätigkeit im Zuge einer sog. Anschubfinanzierung für Langzeitarbeitslose sowie das Vorhaben zur Einführung einer Genehmigungsfiktion der Beschäftigungserlaubnis bei der Arbeitsaufnahme Geflüchteter zu sehen. Darüber hinaus geht das Bündel der beschlossenen Maßnahmen ausschließlich zu Lasten der Bürgergeldempfänger, die einerseits unter Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs gestellt werden und andererseits durch die Mittelkürzungen bei den Jobcenter um realistische Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen gebracht werden. Populismus anstelle Sozialpoltik, das scheint der neue nun noch verschärfte Stil der Ampel zu sein.

Die Saarländische Armutskonferenz befürchtet mit der Umsetzung dieses Maßnahmenbündels eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Die SAK kritisiert das populistische Verhalten der Ampel und fordert diese auf, zu einer sachgerechten Sozialpolitik zurückzukehren.

Autoren: Arbeitsgruppe „Soziale Sicherung“ der Saarländischen Armutskonferenz (SAK) 

Kontakt:

Web: https://sak-ev.de/ 

Saarländische Armutskonferenz e.V.
– Johannes-Foyer –
Ursulinenstraße 67
66111 Saarbrücken

E-Mail: info(@)sak-ev.de 
E-Mail AG: sozialesicherung(@)sak-ev.de 

 

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