Die Arbeitsgruppe „Wohnen und öffentlicher Raum“ der Saarländischen Armutskonferenz warnt eindringlich vor den Folgen der geplanten Neuregelung SGB II-Reform. Der bislang nicht offiziell veröffentlichte Referenten-Vorentwurf zum „Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (13. SGB II-ÄndG) sieht unter anderem tiefgreifende Kürzungen bei den Leistungen für Unterkunft vor. Aus Sicht der Arbeitsgruppe markiert dies eine Abkehr vom Sozialstaatsprinzip – mit absehbaren Konsequenzen: zunehmende Wohnungslosigkeit, soziale Verdrängung und langfristige Mehrbelastungen für Kommunen und Soziale Träger. Mit ihrer Stellungnahme will die Arbeitsgruppe frühzeitig aufmerksam machen. Der Referenten-Vorentwurf liegt verschiedenen Medien vor und ist auch öffentlich zugänglich – unter anderem auf www.portal-sozialpolitik.de.
Mit dem Gesetzesentwurf verfolgt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Ziel, die Leistungen zur Unterkunft und Heizung im SGB II kosteneffizienter zu gestalten und die Verwendung staatlicher Mittel stärker zu begrenzen. Zentral ist da-bei die Einführung einer Obergrenze für die Übernahme von Unterkunftskosten sowie die Aufhebung der Karenzzeit. Zudem wird erstmals eine direkte Verknüpfung zur mietrechtlichen Mietpreisbremse geschaffen indem eine Miete, die die gesetzlich zu-lässige Miethöhe übersteigt, automatisch als „unangemessen“ im Sinne des Sozial-rechts gilt.
Diese Regelungen markieren eine Abkehr von der bisherigen Schutzlogik des SGB II, wonach das Existenzminimum, einschließlich der tatsächlichen Wohn-kosten grundsätzlich zu sichern war.
So werden insbesondere die Neuregelungen zu einer deutlichen Verschärfung der Lebenslage vieler erwerbsfähiger Hilfebedürftiger führen.
Der Wegfall der Karenzzeit bedeutet unmittelbaren Kostendruck schon am ersten Tag der Antragstellung. Die Verknüpfung mit der Mietpreisbremse zwingt Betroffene, sich in rechtliche Auseinandersetzungen mit Vermietern zu begeben, um weiterhin den Anspruch auf die Kosten der Unterkunft zu behalten.
Gerade in angespannten Wohnungsmärkten ist die Suche nach „angemessenem“ Wohnraum realistisch kaum möglich, was zu Wohnungslosigkeit oder Überschuldung führen kann. Besonders gefährdet sind Familien, Alleinerziehende, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen die seltener Ersatzwohnraum finden.
Die gesellschaftliche Folge der Reform verstärkt soziale Spaltung und räumliche Segregation. Leistungsbeziehende werden zunehmend in periphere, strukturschwache Gebiete verdrängt. Durch die Deckelung werden Armut und prekäre Lebenssituationen sichtbar verschoben, nicht behoben. Soziale Spannungen werden so zunehmen, wenn Menschen das Gefühl haben, vom Staat nicht mehr geschützt, sondern sanktioniert zu werden. So werden auch langfristig durch die Neuregelung des Gesetzes höhere Folgekosten für Kommunen und Sozialträger entstehen, etwa durch die verursachte Wohnungslosigkeit, psychische Erkrankungen und zusätzliche
Hilfsleistungen.
Das grundgesetzlich verankerte Staatsziel, dass sogenannte Sozialstaatsprinzip wird zunehmend zu Lasten der Armutsbetroffenen ausgehöhlt.
Die vorgesehene Begrenzung der Unterkunftskosten steht in einem Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum. Wird die tatsächliche Miete, selbst bei unverschuldeter Marktlage, nicht übernommen, droht das System, den Anspruch auf eine menschenwürdige Unterkunft zu unterlaufen. Der
Sozialstaat soll nicht nur die bloße Überlebenssicherung gewährleisten, sondern auch soziale Teilhabe und Würde ermöglichen. Diese Leitidee wird durch die Reform erheblich geschwächt.
Die beabsichtigte Neuregelung der Unterkunftskosten im SGB II verfolgt nachvollziehbare fiskalische und verwaltungspraktische Ziele, führt aber sozialpolitisch zu erheblichen Verwerfungen. Sie belastet insbesondere jene, die ohnehin am stärksten von Armut betroffen sind, und riskiert eine Erosion des sozialen Zusammenhalts. Durch die Kopplung an die Mietpreisbremse werden Leistungsbeziehende faktisch zu Akteuren des Mietrechts gemacht. Eine Verantwortung, die sie weder rechtlich noch sozial tragen können.
Durch die Neuregelungen drohen damit, dass sich Wohnungslosigkeit verschärft, die gesellschaftliche Spaltung vertieft und den Vertrauensverlust in den Sozialstaat vergrößert. Statt Sparlogik sollte der Fokus stärker auf einer sozial gerechten Wohnraumpolitik liegen, die bezahlbaren Wohnraum sichert und Leistungsbeziehende schützt, anstatt sie zu belasten.
Autor: Frank Couck – Arbeitsgruppe „Wohnen und öffentlicher Raum“ der „Saarländischen Armutskonferenz“ (SAK)
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